Bei Knochenleitungskopfhörer denken die meisten Menschen wohl an Sportkopfhörer, oder an Instrumente vom HNO-Arzt und Hörakustiker. Doch mit einem Wandler nahe am Gehörgangseingang eigenen sich Knochenleitungskopfhörer auch gut als Kopfhörer für Augmented Reality (AR), wie Untersuchungen von Surendran et al. (2023) gezeigt haben. Begründet wird dies mit einer höheren Empfindlichkeit und geringerer transkranieller („durch den Kopf“) Übertragung im Vergleich zu anderen Kopfhörertypen. Daneben haben Knochenleitungskopfhörer einen weiteren entscheidenden Vorteil gegenüber gewöhnlichen Kopfhörern: Sie verschließen die Gehörgänge nicht und ermöglichen dadurch die Wahrnehmung von Umgebungsgeräuschen. Dank dieser Eigenschaften eignen sich Knochenleitungskopfhörer ideal für AR-Anwendungen, in denen virtuelle und reale Klänge kombiniert werden sollen.
Für ein realistische und natürliches Klangbild müssen die Knochenleitungskopfhörer jedoch entzerrt werden. Studierende der Technischen Universität Berlin haben dafür einen subjektiven Hörtest entwickelt, bei dem Rauschsignale abwechselnd über einen Lautsprecher und den Kopfhörer dargeboten werden. Dabei sollten Versuchspersonen die Lautstärke des Kopfhörers so einzustellen, dass beide Rauschsignale etwa gleich laut klingen.
Mit unserer Projektarbeit an der Jade Hochschule, knüpfen wir an der Arbeit und den Messungen der Studierenden der TU Berlin an. Dabei gehen wir der Frage nach, ob sich die subjektive Entzerrung alternativ auch durch objektive Schallpegelmessungen am Trommelfell (In-situ) ermitteln lässt.
Die Messungen
Die Messungen wurden im reflexionsarmen Raum der Jade Hochschule Oldenburg durchgeführt. Der Code für den subjektiven Hörtest wurde uns freundlicherweise von der TU Berlin zur Verfügung gestellt. Vor der Durchführung des Hörtest wurden zunächst die Head Related Transfer Functions (HRTFs) in drei Ausrichtungen gemessen. Dabei handelt es sich um Messungen, welche die Filtereigenschaften von Kopf und Rumpf erfassen. Anschließend wurden die In-situ Sondenschläuche für die Schallpegelmessungen am Trommelfell platziert. Daraufhin wurden zunächst die Übertragungsfunktionen von Lautsprecher und Kopfhörer aufgenommen. Anschließend wurde der subjektive Hörtest für die gleichen Ausrichtung wie bei der HRTF-Messung durchgeführt und parallel die Schallpegel am Trommelfell gemessen.
Die Ergebnisse
Beim Vergleich der am Trommelfell gemessenen Lautsprecher und Kopfhörerpegel zeigten sich besonders im mittleren Frequenzbereich zwischen 500Hz und 5kHz vielversprechende Ergebnisse. Die Differenzen zwischen den Pegeln fielen in diesem Bereich am geringsten aus. Bei höheren und tieferen Frequenzen zeigten sich jedoch größere Abweichungen. Als mögliche Einflussfaktoren auf die Ergebnisse bei hohen Frequenzen vermuten wir zum einen die Hörschwellen der Probanden, da bis 16kHz gemessen wurde. Zum anderen spielt die Positionierung des Kopfhörers eine wichtige Rolle. Einige Probanden gaben einen lockeren Sitz an, sowie unterschiedliche Lautstärken zwischen linker und rechter Kopfhörerseite. Bei tiefen Frequenzen konnten zu laute Kopfhörerpegel außerdem dazu führen, dass die Vibrationen wahrgenommen wurden.
Daneben wurde eine theoretische Entzerrungskurve aus gemessenem Kopfhörer und Lautsprecherpegel für die linke und rechte Kopfhörerseite berechnet. Auch hier zeigen sich im mittleren Frequenzbereich ähnliche Ergebnisse zu der subjektiven Entzerrungskurve. Für die praktische Anwendung ist jedoch eine Glättung der theoretischen Kurve notwendig.
Fazit
Die Ergebnisse zeigen, dass objektive Methoden zur Entzerrung von Knochenleitungskopfhörern möglich sind und besonders im mittleren Frequenzbereich (500-5kHz) ähnliche Ergebnisse bei geringerem Zeitaufwand im Vergleich zu subjektiven Messungen liefern. Für zukünftige, an unserer Studie anknüpfende Forschungsarbeiten wäre es vielversprechend, die Methoden weiter zu verfeinern und auf größere Probandengruppen anzuwenden.