Projektbericht: Speech2See - Bestellassistenzsoftware

Viele Menschen leiden an schweren Erkrankungen, die Betroffene in vielen Lebenssituationen einschränken. Allein in Deutschland kann für das Jahr 2019 aus dem statistischen Bundesamt entnommen werden, dass ca. 10% der Bevölkerung, also rund 8 Millionen Menschen, an einer schweren Behinderung leiden. Betroffenen fällt es wegen der Einschränkungen oft schwer, einen Arbeitsplatz zu finden, da oftmals ihre Schwächen statt Stärken im Vordergrund stehen. Sind beeinträchtige Menschen in einem gewöhnlichen Arbeitsplatz eingestellt, fällt es ihnen außerdem schwer, sich zu integrieren und selbstständig zu arbeiten, unabhängig von der Art der Behinderung. Neben den vielen körperlichen Einschränkungen hatten 2019 ungefähr 1,8 Millionen Menschen an zerebralen und geistigen Störungen.
Das Schaffen von barrierefreien Arbeitsplätzen durch z.B. Rampen, behindertengerechte Toiletten und breiten Türen ist daher nicht ausreichend, um Beeinträchtigte am Arbeitsplatz zu unterstützen. Der Einsatz von assistiven Technologien dagegen kann Betroffene vielmehr unterstützen und zur inklusiven Arbeitswelt beitragen. So können unter anderem mittels Softwareentwicklung verschiedene Systeme entwickelt werden, die die kognitive Leistungsfähigkeit der beeinträchtigten Menschen unterstützt. Kognitive Defizite beim Lesen, Schreiben oder generell schlechtem Gedächtnis könnten kompensiert werden, indem zum Beispiel durch Sprache Software und Systeme bedient werden können. Auch das Visualisieren von bestimmten Arbeitsprozessen kann diese Defizite ausgleichen.
Grundsätzlich setzen heutzutage immer mehr Organisationen sowie Unternehmen auf die Zusammenarbeit mit beeinträchtigen Menschen, um diesen ein normales Leben zu ermöglichen. Ein Unternehmen, das sich mit der Thematik auseinandersetzt, ist die Ostfriesische Beschäftigungs- und Wohnstätten GmbH (obw), welche seit dem 01.08.2018 von der Kunsthalle Emden das Café & Restaurant Henri's pachtet, um beeinträchtige Menschen beruflich zu beschäftigen. Die obw erweitert somit die Tätigkeitsfelder für beeinträchtige Menschen auf den gastronomischen Bereich, wodurch die Möglichkeit einer inklusiven Arbeitswelt geschaffen wird. Jedoch bleibt auch das Café Henri's von den Problemen, die durch kognitive Einschränkungen einiger Mitarbeitenden entstehen, nicht verschont:
Neben erfahrenen gewerblichen und pädagogischen Fachkräften arbeiten aktuell neun beeinträchtigte Menschen im Café & Restaurant Henri's, die im Service und in der Küche tätig sind. Alle neun Mitarbeitenden leiden unter psychischen Erkrankungen und geistigen Behinderungen. Dazu zählen schizophrene Psychosen, Intelligenzminderungen und Lernbehinderungen. Die Beeinträchtigungen haben zur Folge, dass einige Mitarbeitende weder lesen noch schreiben können und sehr vergesslich sind. Vielen fällt es schwer, sich zu konzentrieren und bestimmte Arbeitsabläufe einzuhalten. Stressige Situationen mit hoher Belastung gestalten das Arbeiten dementsprechend als sehr problematisch wie zum Beispiel das Zusammenstellen eines Menüs bei Bestelleingang. Die Mitarbeitenden können sich nicht merken, welche Lebensmittel zu den jeweiligen Menüs gehören. Des Weiteren vergessen die Mitarbeitenden auch während der Bearbeitung eines Menüs, welchen Arbeitsschritt sie eigentlich angehen wollten, da ihre Gedanken sehr sprunghaft sind, was die Mitarbeitenden oft verunsichert.
In diesem Zusammenhang wurde eine Android-App für das Café & Restaurant Henri's entwickelt, in der mittels Spracherkennung Bestellungen aufgenommen und visualisiert werden können. Genau genommen war dabei das Ziel, eine Kommunikationshilfe in Form einer Bestellassistenzsoftware zu entwickeln, mit der die beeinträchtigten Mitarbeitenden selbstständiger und sicherer beim Bearbeiten einer Bestellung agieren können.
Für die Umsetzung und das Entwickeln der Software wird die „Menschenzentrierte Gestaltung“ (im Englischen „User Centered Design Process“ (UCDP)) verfolgt, sodass eine gebrauchstaugliche und zweckdienliche App entsteht, die all die Bedürfnisse des Benutzers erfüllt. 
Nachdem durch mehrere Online-Meetings mit den Mitarbeitenden und einer vor Ort Besichtigung des Cafés die Problemstellung und ein Lösungsansatz gefunden wurde, konnte ein erstes Mockup entworfen werden. Im ständigen Austausch mit den Mitarbeitenden des Cafés konnte schließlich eine erste Version der Bestellassistenzsoftware entwickelt werden, die in Python implementiert wurde.
Bei der Entwicklung der App standen vor allem die Implementierung der graphischen Oberfläche und Spracherkennung im Vordergrund. Die graphische Oberfläche wurde demnach mit der „kivy“ Bibliothek entworfen wohingegen für die Spracherkennung sich die Bibiliothek „vosk“ als sehr sinnvoll erwiesen hat.
Für eine voll funktionsfähige App müsste diese jedoch noch weiterentwickelt werden, womit noch anschließend im Betrieb geprüft und getestet werden muss, inwiefern die App den Mitarbeitenden einen Mehrwert bietet.