Lorena (Geoinformatik): University of Architecture, Civil Engineering and Geodesy, Bulgarien
Sommer in Sofia: Im sechsten Semester meines Geoinformatik-Studiums habe ich an der UACEG in Sofia, Bulgarien studiert.
Schon vor meinem Studium stand für mich fest, dass ich ein Auslandssemester machen möchte. So einfach bekommt man nicht noch einmal die Chance, eine derartige Auslandserfahrung zu machen. Ich finde die Möglichkeit großartig, neue Kulturen und gleichaltrige Studierende aus ganz Europa kennenzulernen und mich mit ihnen auszutauschen.
Von den damaligen Partnerhochschulen für Geoinformatik (oder auch für Geodäsie) war ich an keinem Land für mein Auslandssemester interessiert. Deshalb hatte ich selber nach passenden Universitäten in Europa gesucht, und drei davon kontaktiert: in Espoo bei Helsinki, in Ljubljana und in Sofia. Ich fragte, ob diese auch Studierende von Nicht-Partnerhochschulen annehmen, sogenannte Freemover. Die Universität in Espoo lehnte dieses ab und die in Ljubljana antwortete mir nicht. Die Universität in Sofia nahm auch keine Freemover an, aber war kurzerhand bereit, eine Partnerschaft mit der Jade Hochschule zu vereinbaren.

Bereits ein Jahr zuvor war ich auf dem International Geodetic Student Meeting gewesen, das in dem Jahr in Sofia stattgefunden hatte. Somit kannte ich die Universität schon ein wenig.
Ich belegte drei Kurse aus dem Fachbereich Geodäsie, zu den Themen Programmieren von mobilen Geoinformationssystemen, Crisis Management Mapping und CAD-Systeme in der Geodäsie. Daneben habe ich noch zwei Kurse aus dem Fachbereich Architektur belegt, um meine Kenntnisse auch interdisziplinär zu erweitern. Einer davon behandelte die bulgarische Architektur der Nachkriegszeit, der andere die Geschichte der Hochhäuser. Zusätzlich habe ich einen Bulgarisch-Kurs besucht, in dem ich das kyrillische Alphabet sowie Grundlagen der bulgarischen Sprache gelernt habe.

Da das eigentliche Geodäsie-Studium an der Universität nur auf Bulgarisch angeboten wird, hatte ich keine Vorlesungen mit bulgarischen Studierenden. Die Professoren vereinbarten mit mir individuelle Treffen und arbeiteten mit mir in den verschiedenen Modulen an Projekten. Es gab somit in den drei Kursen, die ich aus dem Fachbereich Geodäsie gewählt hatte, keine klassischen Vorlesungen. In diesem Semester war ich die einzige Geodäsie-Erasmus-Studentin. Da es deutlich mehr Erasmus-Studierende im Studiengang Architektur gab, hatten wir in meinen beiden Modulen aus dem Fachbereich Architektur richtige Vorlesungen auf Englisch, aber auch diese wieder ohne bulgarische Studierende.
Es war daher also schwer, Freunde unter den bulgarischen Studierenden zu finden. Der Großteil meiner Freunde waren Erasmus-Studierende. Gemeinsam haben wir uns über Veranstaltungen in der Stadt Sofia informiert und auch einige Events und Konzerte besucht. Sofia als Stadt ist sehr international und es gibt auch eine große Auswahl an englischsprachigen Angeboten.
Außerdem lernten wir die Kultur Bulgariens auch bei vielen Ausflügen und Trips in kleinere bulgarische Städte und Dörfer kennen.
Das ESN-Netzwerk (Erasmus Student Network) in Sofia ist sehr gut aufgebaut und bietet viele Veranstaltungen an, wo man sich mit anderen Erasmus-Studierende vernetzen kann. Auch kulturelle Veranstaltungen, wie ein Horoteka-Kurs, in dem man traditionelle bulgarische Kreistänze gelernt hat oder ein Martenitsa-Workshop, in dem man zum Feiertag Baba Marta traditionelle Martenitsa-Armbänder gebastelt hat, gehörten zum Programm.

Man kann sich auch für das Buddy-Programm anmelden und bekommt einen bulgarischen Studierenden als Buddy zugeteilt, der einem bei Schwierigkeiten helfen kann. Zum Teil gab es Sprachbarrieren, vor allem in öffentlichen Einrichtungen, beim Ticketkauf an Bahnhöfen oder bei der Beantragung des Monatstickets für Studierende für den Nahverkehr. Der Bulgarisch-Kurs hat auch schon geholfen, die Sprachbarrieren etwas zu überwinden. Ich empfehle sehr, zumindest das kyrillische Alphabet zu lernen, damit man zum Beispiel weiß, in welche Richtung ein Bus fährt.

An Sofia habe ich die Nähe zu den Bergen geliebt. Der Hausberg Sofias, das Vitosha-Gebirge, ist in einer halben Stunde bis Stunde mit dem Bus zu erreichen. Außerdem kann man mit der Bahn von Sofia aus auch einige Tageswanderungen erreichen. Bulgarien hat viele schöne Gebirge und Landschaften zu bieten und ist auf jeden Fall ein Traum für Wanderliebhaber. Da Sofia mit Bus oder Bahn gut an die Hauptstädte der Nachbarländer angebunden ist, und diese auch recht günstig sind, konnte ich während meines Auslandssemesters jedes Nachbarland Bulgariens bereisen, wenn zum Teil nur für ein Wochenende. Auch innerhalb Bulgariens sind die Zugtickets sehr günstig und Studierende können eine 50%-Rabattkarte für nationale Zugtickets beantragen. Zugfahren in Bulgarien ist manchmal aber auch ein spannendes Erlebnis für sich.
Ich würde ein Auslandssemester an der UACEG in Sofia empfehlen. Die Hochschule ist sehr unkompliziert, was die Organisation angeht. Bis auf eine Ausnahme konnte ich alle Kurse belegen, die ich vorher im Online Agreement festgelegt hatte. Auch das International Office ist sehr hilfsbereit und hat bei Fragen immer schnell reagiert.
Bei der Wohnungssuche würde ich heute anders vorgehen. Ich hatte für den gesamten Zeitraum ein AirBnB gemietet. Es lohnt sich aber, auch in Facebookgruppen nach WG-Partner*innen zu suchen und mit ihnen gemeinsam nach Wohnungen zu suchen (bei Wohnungsangeboten auf Facebook sollte man immer vorsichtig sein). Am besten sucht man die Wohnungen über Real-Estate-Agencys. Das Wohnheim kam für mich nicht in Frage, grundsätzlich ist es aber nicht so schlimm, wie es in manchen Erfahrungsberichten beschrieben wird. Das Wohnheim (Block 36) des UACEG wurde im Jahr 2014 renoviert und für den niedrigen Preis lohnt es sich vielleicht, das Leben im Wohnheim auszuprobieren. Ein Doppelzimmer kostet aktuell 310 Leva also ca. 158€ bei Einzelbelegung. Teilt man sich das Zimmer mit einem anderen Studenten, zahlt man nur die Hälfte.
Während meines Auslandssemesters habe ich viel über den Balkan und seine Geschichte gelernt. Viele wirtschaftliche und politische Zusammenhänge und Probleme erscheinen mir heute verständlicher und ich habe ein besseres Verständnis für mir fremde Kulturen gewonnen. Ich überlege, im Master noch ein Auslandssemester zu machen, allerdings passt es dort nicht so gut in den Modulplan. Außerdem liebe ich es auch, in Oldenburg zu studieren und möchte meine letzten drei Semester im Master an der Hochschule auch gerne in Oldenburg verbringen.