Projektbericht: HRTF

Im Alltag eines Menschen ist dieser einer Vielzahl von akustischen Reizen ausgesetzt. Um diese
wahrnehmen und verarbeiten zu können, ist er insbesondere auf die Aufnahme der akustischen
Reize mittels seiner Ohren angewiesen. Dabei spielt die Lokalisation einer Schallquelle im Hinblick
auf die räumliche Orientierung eine zentrale Rolle. Grundlegend dafür sind verschiedene
Mechanismen und Funktionen des Gehörs, zu denen die kopfabhängige Übertragungsfunktion
zählt. Diese ist auch bekannt als die sogenannte Head Related Transfer Function (HRTF). Sie
beschreibt die Übertragung im Frequenzbereich vom Freifeld zu den Außenohren und ist für jeden
Menschen individuell, da sie anatomisch bedingt ist. So hat die Größe und Form von Kopf, Ohren
sowie Schultern bzw. Oberkörper Einfluss auf die Ausbreitung von Schallwellen und somit auch auf
das Eintreffen von Schallwellen unterschiedlicher Frequenzen am Eingang des Gehörgangs.
Die Bestimmung von HRTFs ist in der Hörforschung ein sehr relevantes Thema. So lassen sich
mittels HRTFs beispielsweise eine Vielzahl natürlicher Szenarien in der Akustik nachbilden.
Standardmäßig wird für die Bestimmung von HRTFs ein Kunstkopf (KEMAR) verwendet, welcher
auch für viele weitere akustische Messungen herangezogen wird. Da dieser jedoch ohne Haare
konzipiert wurde und weder Kopfbedeckung, noch andere Kleidungsstücke trägt, stellte sich die
Frage, wie realistisch und alltagstreu solche Messungen mit einem Kunstkopf sind. Aus diesem
Grund wurde im Rahmen dieses Projekts untersucht, welchen Einfluss verschiedene Konditionen,
wie Haare (Kunsthaarperücke, Echthaarperücke, lang, kurz), Kopfbedeckungen sowie Kleidung
(Pullover, Schal, Mütze) auf die HRTF haben.

Um die HRTFs technisch zu ermitteln, wurde ein KEMAR-Kunstkopf abwechselnd mit
verschiedenen Perücken sowie verschiedener Kleidung ausgestattet. Die Bestimmung der HRTFs
erfolgte automatisiert mittels eines an der Decke platzierten, drehbaren Bogens, welcher mit 24
Lautsprechern ausgestattet war. Aufgrund der eng aneinander platzierten Lautsprecher und der
Tatsache, dass sich der Lautsprecherbogen 360 ? um den Kunstkopf herum bewegen ließ, konnten
die Einflüsse der unterschiedlichen Konditionen für viele verschiedene Winkel ermittelt werden.
Zusätzlich zu dieser rein objektiven Messung wurde ein psychoakustisches Experiment
durchgeführt, bei dem untersucht wurde, ob für die verschiedenen Konditionen auditive
Unterschiede wahrzunehmen sind. Dazu wurde ein Test entwickelt, welcher einem MUSHRA-Test
ähnelt. Ein Rauschburst sowie ein Musiksignal, welches die HRTFs für die verschiedenen
Konditionen enthielt, sollte mit dem selben Rauschburst bzw. Musiksignal, welches von dem
KEMAR ohne Haare abgeleitet wurde, verglichen und bewertet werden. Zudem erfolgte der
Vergleich für verschiede Winkel.

Im Rahmen dieses Projekts konnte festgestellt werden, dass Haare sowie Kopfbedeckungen und
Kleidung einen Einfluss auf die HRTFs haben. Sie erzeugen eine Dämpfung des Schalls, welche je
nach Kondition unterschiedlich stark ausgeprägt und zudem winkelabhängig ist. Für die meisten
Winkel erzeugt die Ausstattung mit Mütze und Schal sowie langes und mittellanges Haar (Kunstund
Echthaar) die größte Dämpfung.

Somit resultiert die Annahme, dass ein Kunstkopf nicht unbedingt eine realistische Nachbildung
des menschlichen Kopfes ist. Demnach würden akustische Messungen mittels eines mit Haaren
versehenem oder mit Kleidung ausgestattetem Kunstkopf eine bessere Annäherung an reale
Menschen simulieren.

Dies gilt als besonders Wichtig für den Einbezug von HRTFs in die Umsetzung von Hörgerät- oder
Cochlea-Implantat-Algorithmen. So könnten diese zur Verbesserung des
Sprachverstehens und zur Lokalisation von Sprache und Geräuschen beitragen. Zudem ist die
Audiosignalwiedergabe von z. B. Musik oder Sprache ein weiterer Forschungsbereich.
Beispielsweise könnten Heimkino-Situationen oder Videospiele für das volle, individuelle
Klangerlebnis sorgen, indem die Signale individuell auf HRTFs angepasst werden.